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Montag, 19. November 2018 - keine Kommentare
Internationaler Tag der Kinderrechte 2018
Am 20. November 1989 hat die UN-Vollversammlung die Konvention für die Rechte des Kindes verabschiedet. Seither ist der 20. November weltweit der Jahrestag der Kinderrechte, an dem Themen wie Kindesschutz, Kinderpolitik und vor allem Kinderrechte ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden.
Schutz vor Misshandlung
Ganz in diesem Sinne werfe ich heute ein Schlaglicht auf Artikel 19 dieser Konvention: Er fordert, dass der Staat Kinder explizit vor jeder Form von Misshandlung durch ihre Eltern oder andere Betreuungspersonen schützen muss. Auch die Schweiz hat die Konvention für die Rechte des Kindes im Jahr 1997 ratifiziert und sich verpflichtet, sie umzusetzen. Dazu gehört ein gesetzlich verankertes Recht für Kinder auf gewaltfreie Erziehung.
Der Bundesrat sagt stets nein
Doch der Bundesrat und das Parlament weigern sich bis heute, Gewalt an Kinder in einem Gesetzesartikel als unzulässig zu erklären. In den letzten Jahren wurden auf Bundesebene mehrere Vorstösse (Motionen) abgelehnt, die ein Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch (ZGB) festschreiben wollten.
Neuer Vorstoss aus der CVP
Im letzten Juni hat Géraldine Marchand-Balet, CVP Wallis, einen weiteren Anlauf genommen und eine neue Motion eingereicht. Darin fordert auch sie einen Artikel im ZGB, der die gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern soll. Ihre Begründung: «Die Abschaffung des Züchtigungsrechts der Eltern im Jahr 1978 war ein erster Schritt hin zum Schutz der physischen Integrität des Kindes. Die bestehende Rechtsunsicherheit sowie traditionelle Verhaltensmuster führen aber dazu, dass die Anwendung von Gewalt gegenüber Kindern in unserer Gesellschaft noch immer vertretbar erscheint.»
Der Bundesrat hat die Motion von Géraldine Marchand-Balet zügig beantwortet, und zwar mit einem Nein. In seiner Absage argumentiert er wie schon bei den vorangegangenen Motionen: Ein Züchtigungsrecht der Eltern sei heute mit dem Kindeswohl nicht mehr vereinbar, und deshalb sei es unnötig, im ZGB ein ausdrückliches Züchtigungsverbot zu verankern.
Wie bitte? Da scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Es gibt zwar kein Züchtigungsrecht mehr, doch sind sich zahlreiche Fachleute weltweit einig: Es braucht ein explizites Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetz. Zum Beispiel so wie es im deutschen Bundesgesetz steht: «Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Massnahmen sind unzulässig» (BGB Art. 1631, Abs. 2).
Sogar Nepal hat ein Verbot
Übrigens hat im September 2018 Nepal als 54. Land ein solches Verbot in Kraft gesetzt. 56 weitere Länder sind im Begriff, ihre Gesetze dahingehend zu ändern. Und die Schweiz? Sie wird zwar von der Uno regelmässig kritisiert, weil sie noch kein explizites Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung etabliert hat, lehnt diese Forderung aber immer noch ab.
Zynisch erscheint mir, dass der Bundesrat sich stets mit demselben Argument aus der Verantwortung zieht: Das Strafrecht biete Kindern genügend Schutz. Wirklich? Das Strafrecht verlangt eine Anzeige. Hat sich der Bundesrat überlegt, wer denn Anzeige erstatten soll, wenn ein Kind geschlagen wird? Das Kind etwa?
Schläge sind kontraproduktiv
Es ist nach wie vor unverständlich, warum sich der Bundesrat und die bürgerliche Parlamentsmehrheit gegen einen Artikel für die gewaltfreie Erziehung im ZGB wehren.
Ein bürgerlicher Nationalrat hat einmal gesagt, ein Klaps aufs Füdli nütze oft mehr als fünf Psychologen. Schläge sollen also nützlicher sein als Worte? Viele Eltern sind vom Gegenteil überzeugt: Handgreiflichkeiten sind alles andere als sinnvoll. Für den Moment wird sich das Kind vielleicht – im wahrsten Sinne des Wortes – geschlagen geben, aber langfristig sind Schläge in der Erziehung kontraproduktiv. Sie machen das Kind eher aggressiv, es lernt Gewalt zu akzeptieren und später vielleicht selber anzuwenden.
Eltern dürfen nicht kriminalisiert werden
Manche Eltern befürchten, mit einem Gesetz für gewaltfreie Erziehung könnten ihnen Strafen drohen, falls ihnen einmal die Hand ausrutsche. Doch weder in Deutschland noch in Österreich ist je ein Vater oder eine Mutter wegen eines Klapses bestraft worden. Niemand soll kriminalisiert werden! Deshalb muss das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetz verankert werden und nicht im Strafgesetz.
Hohe Signalwirkung
Ohrfeigen oder Klapse erniedrigen und demütigen ein Kind, sie sind schädlich für seine Entwicklung. Ebenso psychische Grausamkeiten. Ein Artikel für das Recht auf gewaltfreie Erziehung hat eine hohe Signalwirkung und führt längerfristig zu einem gesellschaftlichen Sinneswandel, das sieht man in unseren Nachbarländern.
So bleibt zu hoffen, dass Marchand-Balet mit ihrer Motion Erfolg hat. Unterstützung aus der Zivilbevölkerung würde ihr Anliegen befeuern: Helft mit und unterschreibt die Petition für eine gewaltfreie Erziehung der Kinder!
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Donnerstag, 10. Mai 2018 - keine Kommentare
Körperstrafen werden verharmlost...
Letzte Woche fand in Bern das zweitägige internationale Kolloquium "Für einen besseren Schutz von Kindern in der Schweiz: Verbot von Körperstrafen?" statt, organisiert von der Universität Genf. Referierende aus Frankreich, Irland, Österreich, Schweden, den USA und der Schweiz sprachen über die Folgen von Körperstrafen, darüber dass ein Verbot die Gewalt an Kindern reduziert, aber auch über juristische Aspekte. Es ist klar: Die Schweiz ist verpflichtet Artikel 19 der UN-Konvention für die Rechte des Kindes umzusetzen. Diese Konvention hat unser Land im Jahre 1997 ratifiziert. Wir werden von der UNO regelmässig gerügt (letztmals im Bericht von 2015, Pt. D, 38), weil wir immer noch keinen Artikel in unserem Zivilgesetzbuch (ZGB) haben, der Gewalt an Kindern explizit als unzulässig erklärt. Denn: Die Folgen der Körperstrafen werden verharmlost, die Forschung zeigt ein anderes Bild als manche Volksmeinung; hier heisst es oft, es sei durchaus hilfreich, das Kind mit einem Klaps in die Schranken zu weisen. Das ist ein Irrtum. Schläge haben nicht die gewünschte Wirkung, sie führen nicht dazu, dass sich Kinder so verhalten, wie damit erwartet wird. Kurzfristig passen sich Kinder an die Forderung der Eltern vielleicht an, wenn sie geschlagen werden, aber längerfristig gehen sie erst recht ihre eigenen Wege. Und: Kinder lernen durch die erfahrene Gewalt vor allem Gewalt zu akzeptieren und sie selber anzuwenden. (Aus dem Referat des Vereins GEWALTFREIE ERZIEHUNG)
Es wird Zeit, dass wir im ZGB einen Artikel über die gewaltfreie Erziehung erhalten. Es macht keinen Sinn, und die zahlreichen Fakten belegen das, sich dagegen zu stemmen - egal mit welchen Ausreden. Eine solche Gesetzesbestimmung (wie zum Beispiel in Deutschland) muss von Massnahmen zur Förderung der gewaltfreien Erziehung begleitet werden. Eltern müssen unterstützt werden. Denn sie lieben ihre Kinder. Schläge resultieren aus Überforderung. Auch Ohrfeigen sind Schläge. Sie zu verteidigen oder zu rechtfertigen macht keinen Sinn. Früher oder später wird das auch unser Parlament und Bundesrat einsehen müssen, zum Schutz der Kinder hoffentlich früher!
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Montag, 13. November 2017 - keine Kommentare
Eine Demütigung...
"Ohne ein solches Verbot gilt hierzulande weiterhin, dass man niemanden schlagen darf - es sei denn, das eigene Kind", schreibt Nadja Pastega gestern in der Sonntags-Zeitung (12.11.17, Artikel und Kommentar) anlässlich des Petitionsstartes. Es ist so, Sie werden staunen: Wenn Sie Ihrem Nachbarn eins an die Ohren geben, kann er Sie anzeigen. Wenn Erwachsene ein Kind schlagen, ist das nicht verboten. -
Das will die Petition ändern. Eltern dürfen selbstverständlich nicht kriminalisiert werden. Deshalb strebt die Petition eine Ergänzung im Zivilgesetzbuch (ZGB) an, und nicht im Strafrecht! Und: Die Petition fordert auch, dass Eltern unterstützt werden, wenn sie Hilfe brauchen mit ihren Kindern.
Denn: Zahlreiche Studien belegen es, Schläge - egal welcher Art und wie häufig - stellen für Kinder eine Demütigung dar und können ihre Entwicklung beeinträchtigen.
In einem guten Beitrag - von Celia Nogler im Winterthurer Regionalfernsehen TeleTop - hält Nationalrat Thomas Hurter (SH) nun nichts von dieser Petition: "Wir haben eine Gesetzgebung, die mehrheitlich funktioniert, die Eltern sind in der Verantwortung, und es kann nicht sein, dass der Staat vorschreibt, wie man zu Hause genau was machen darf. Plötzlich schreibt der Staat vor, wann die Kinder aufstehen müssen, das führt definitiv zu weit". Und weiter: Es müsse jede Familie selber entscheiden, denn grundsätzlich schadete eine Ohrfeige noch nie. Aber es sei klar, es schade, wenn man Kinder schlage. Und: Es gäbe heute schon genügend Regelungen. "Diese Forderung geht definitiv zu weit", sagt der Schaffhauser Nationalrat .
Von wegen, wir hätten eine Gesetzgebung, die funktioniert: Viele, die seit der Lancierung der Petition gestern unterschrieben haben, hinterliessen berührende Kommentare. Über Nacht quasi tröpfeln andauernd Unterschriften ein und Zeugnisse dafür, dass die Petition genau das Richtige will: Wir brauchen einen Artikel im ZGB, der besagt, dass die Schweiz keine Gewalt an Kindern will. "Es ist eine Tragödie, dass die Meinung „ein Klapps aufs Füdli hat noch nie geschadet“ so weit verbreitet ist", schreibt ein Unterstützer. Und eine andere schreibt: "Ich bin selber in einer gewalttätigen Umgebung aufgewachsen. Es fing bereits im frühen Kindesalter mit saftigen Ohrfeigen an, dann steigerte sich mein Vater immer mehr ins Zusammenschlagen. Zum Glück half mir mein Ehemann später, diese brutale Erziehung, die ich als Kind erleben musste, unseren Kindern nicht weiterzugeben. Er kam aus einer intakten Familie, in der Schläge Tabu waren. Ich bin ihm dafür sehr dankbar", führt die Schreiberin aus.
Was bleibt hier noch zu sagen, im Moment nur das: Es gibt sie, die Gewalt an Kindern, und offenbar reicht unsere Gesetzgebung nicht. Tut sie nicht, wie diese Berichte oben und auch zahlreiche Studien klar zeigen. Und die Petition will das mit Ihnen ändern, denn Gewalt an Kindern darf nicht toleriert werden!